Gruppenbild mit den 6 Englisch-Kursteilnehmerinnen
v.l.n.r. Diane Wendland, Eleonore Wittstock, Ursula Wessely, Anita Brömmelhörster, Irene Reichert, Juliane Aschoff, Ingrid Kuhn

40 Jahre Englisch bei Frau Kuhn: was für ein Jubiläum!

Am 29.7.2025 fand der letzte Termin eines Englischkurses statt, den unsere Dozentin Ingrid Kuhn 40 Jahre geleitet hat. Einige der Damen sind seit den Anfängen dabei. Es ist daraus eine lange Reise geworden und eine Freundschaft entstanden, die ihren Ort immer in Frau Kuhns Englischkurs behielt. Die Dozentin und die Teilnehmer*innen sind untereinander so fest zusammengewachsen, dass sie auch gemeinsame Reisen unternommen haben. Zu der außergewöhnlichen Treue dieser Gruppe, ihrem sprichwörtlichen „lebenslanges Lernen“, ihrer Sprachbegeisterung, Lebensfreude und ihren Gemeinschaftssinn haben wir mit Ingrid Kuhn gesprochen.

40 Jahre alter vhs Vertrag der Englisch-Dozentin

Frau Kuhn, wie sind Sie zur Volkshochschule gekommen?

Ich bin Diplom-Verhandlungsdolmetscherin und Übersetzerin für Englisch. An meiner Uni in Germersheim hing am Schwarzen Brett ein Stellenangebot von Siemens. Ich habe mich dort vorgestellt, angefangen zu arbeiten und meinen Mann kennengelernt. Als unser 2. Kind vier Jahre wurde, dachte ich, ewig Kinderpopos putzen kannst du nicht. Da muss was anderes her, nachdem ich elf Jahre für die Kinder zu Hause war. So habe ich mich einfach mal an der Volkshochschule beworben. Zunächst gab ich einen Kurs, später waren es vier.

Wann hat Ihr erster Kurs begonnen und wer waren die Teilnehmer?

Im Februar 1975, Teilnehmer waren vor allem Frauen, deren Kinder von der Grundschule in weiterführende Schulen wechselten und dort Englisch lernten. Als Mütter wollten sie dies begleitend unterstützen.

Was hat Sie motiviert, 50 Jahre dabei zu bleiben, wie hat es über all die Jahre gehalten?

Motivation war nicht das Schwierigste, sondern das Einhalten von Spielregeln. Aber alle Teilnehmer haben mitgezogen. In 50 Jahren habe ich großen Wert darauf gelegt, dass voreinander Respekt herrscht, man miteinander lachen darf, aber auslachen ist streng verboten. Da war ich ganz strikt und habe dadurch auch zwei oder drei Teilnehmer verloren, aber die Gruppe geht vor.

Der Zusammenhalt kam auch durch die gemeinsamen Reisen der Gruppe. Wir waren in Bremen und Worpswede, in Hamburg, dreimal in England und sogar einmal eine Woche in New York, und dies stets auf eigene Faust und nicht als organisierte Reise. Gemeinsam wurden die Reisen auf Englisch vorbereitet, das war ausführlicher Teil des Unterrichts. Jeder bereitete vor, wofür er sich interessierte. Das Einzige, was wir in New York offiziell gemacht haben: Mit dem Boot um Manhattan gefahren. Und ich habe es hinbekommen, eine UN-Führung zu organisieren, das war toll!

Welche Konversationsthemen haben die Gruppe beschäftigt?

Ich nutze seit Jahren Themen und Materialien aus „World and Press“ sowie die leichtere Version „Read on“. Aktuelles Zeitgeschehen war dabei auch immer Thema. Als Vorbereitung arbeite ich einen halben bis ganzen Tag daran, muss alle Artikel lesen, um zu wissen, was ich verteile. Nach vielen Jahren kennt man auch die Interessen der einzelnen Teilnehmer. Wir wählen gemeinsam aus und bearbeiten zu Hause den ausgesuchten Artikel mit dem Ziel, darüber zu sprechen. Die Zeitungen sind unsere Hauptversorgung an Lernstoff gewesen: Politik, Kultur, Wirtschaft, Sport, alles. Wenn man so lange den Kurs macht, geht es natürlich auch manchmal um Privates. Das ist dann nicht in der Vorbereitung, das kommt spontan. Man wächst über die Jahre eben sehr zusammen und die Beziehung ist sehr persönlich geworden. Kürzlich haben wir gezählt: vier oder fünf Teilnehmerinnen und zwei Teilnehmer sind inzwischen verstorben…

Lehrmaterial Zeitung Word andPress, Read on
Lehrmaterial Zeitung Word andPress, Read on

An welche besonderen Teilnehmer erinnern Sie sich?

Ich hatte einen Nordvietnamesen, ziemlich am Anfang, der kam nach einer Kursstunde und fragte: „Sind Sie aus Dresden?“ Ich antwortete “Ja“ und war sprachlos – ein Vietnamese. Er: „Na wissen Sie, ich höre das manchmal am Tonfall.“ Er hatte in Dresden studiert vor …zig Jahren. Ist das nicht toll? Und dann hatte ich eine Dame, die war Nonne in einem Heim für unverheiratete Teenagermütter. Sie war so weltlich und sie hat festgestellt, dass eines ihrer Mädchen eigentlich einen besseren Schulabschluss nachholen sollte. Und ist dann mit ihr ins Englisch gekommen. Fand ich ganz toll. Solche Geschichten bleiben. Sie hat mir später einen Seidenschal gebatikt, den hab ich heut noch.

In der Pandemie, haben Sie da gleich auf online umgestellt?

Nee, ich kann nicht online. Wir haben Präsenz gemacht. Mit Maske, mit Handschuhen und Mützen, ganz warm angezogen, weil wir ja alle 30 Minuten lüften mussten. Und wissen Sie, die Teilnehmer sind ja auch ältere Jahrgänge, die haben nicht alle einen PC zu Hause.

Was machen Sie, wenn Sie nicht unterrichten?

Reisen, da habe ich einen Gendefekt. Ich habe 4 Jahre in Vancouver gelebt, das kam durch mein Englisch-Studium in Germersheim. Gerne wäre ich in Vancouver geblieben, das waren die tollsten Jahre meines Lebens. Nur meinen Eltern zuliebe kam ich zurück und habe bei Siemens begonnen. Mein Chef war auch ein Weltenbummler oder hatte das Reise-Gen und sagte wörtlich: „Wo waren Sie, in Kanada, vier Jahre? Dann sind Sie für Deutschland versaut.“ Und er hatte Recht, das legt man nie ab, die haben dort in Kanada eine völlig andere Denkweise. Die denken so (zeigt mit beiden Händen vom Kopf nach rechts und links). Wir denken so (zeigt mit beiden Händen vom Kopf geradeaus). Wir sind wesentlich intoleranter in Deutschland, empfinde ich auch nach so vielen Jahren. Das Reise-Gen habe ich sehr hoch entwickelt, reise heute noch gerne. Z.B. mit dem 58€-Ticket nach Dresden, und 3x umsteigen zu müssen macht mir nichts aus. Die Menschen, die man unterwegs trifft, sind so interessant.

Was bedeutet Ihnen Toleranz heute, wie würden Sie es definieren?

Zu Toleranz gehört viel Respekt. Das habe ich in meinen Kursen eigentlich ganz oben hingehängt. Wenn ich Respekt habe, ist es gleichgültig, was der andere für einen Hintergrund hat, solange er sich vernünftig dazu äußert und genauso den anderen respektiert. In den Kursen sagte ich immer: „Ich wünsche Respekt!“

Das Interview führten Beatrice Winkler

und Franziska Schreiber, vhs-Marketing

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